Teej, Jitiya Pawain Bada Bhari & das Ende des Monsuns

Eine  sehr spannende und ereignisreiche Zeit steht an. Der Beginn der größten Festivals in Nepal – Wir konnten uns darunter bis dahin wenig vorstellen. Ist das so wie bei uns Weihnachten? Winterschlussverkauf? Ostern? Nein – irgendwie scheint es eine Mischung aus allem zu sein, zumindest was den Trubel darum angeht: Lange geplante Familienzusammenkünfte finden statt, viele im Ausland arbeitende Nepalesen planen ihren Heimaturlaub, die Läden platzen aus allen Nähten: Vor allem Kleidung wird scheinbar in dieser Zeit gekauft, jeder möchte sich ein wenig herausputzen für diese Tage.

Los ging die Festival-Zeit mit einigen Festen nur für Frauen. Teej ist ein dreitägiges Fest für Hindu-Frauen, was Ende September auch durch die Tharu-Frauen mit Jitiya Pawain Bada Bhari begangen wird. Sie singen und tanzen für ein langes Leben ihrer Männer, ihrer Familie und feiern unter sich ab frühmorgens bis spät in die Nacht und das über mehrere Tage.

SAM_9552Überrascht wurden wir in dieser Zeit, als eines Freitags mehr Schüler als sonst vor unserer Tür standen. Sie haben in der Schule einfach gemeinsam beschlossen, uns den Tanz des Frauenfestivals vorzuführen. Überraschend war das ganze aus 2 Gründen: Erstens, da es die Jungs vorgeschlagen haben (ist ja ein Frauen-Tanz) und Zweitens, dass es Jungs waren, die nicht einmal zu der Minderheit gehören, die dieses Festival zelebriert: Die Tharu.

Die Tharu sind sowohl eine Kaste als auch eine Minderheit, die vor allem im Terai leben, also die Ureinwohner dieser Region. Faszinierendes kursiert um die Tharu: Sie sprechen eine eigene Sprache, fallen durch ihr dunkles Aussehen auf. Ihre traditionellen Häuser sind aus Lehm gebaut und haben nur wenige kleine Fenster. Viele der Häuser sind relativ lang und groß und beherbergen mehrere Generationen. Spannend fanden wir vor allem, dass sie immun gegen Malaria sind und scheinbar auch gegen Tuberkulose eigene natürliche Heilmethoden entwickelt haben. Trotzdem sind sie innerhalb des inoffiziellen nepalesischen Kastensystems eher niedrig eingestuft und gelten oft als ungebildet.

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Wir stellen immer wieder fest, dass obwohl das Kastensystem in Nepal in den 1960ern abgeschafft wurde, es nicht so leicht aus den Köpfen zu verbannen ist. So erfahren wir, dass einer unserer direkten Nachbarn „Untouchable“ ist, also unberührbar. Vor allem Mitglieder der höheren Kasten scheinen immer noch Wert darauf zu legen, dass sie zu den „Besseren“ gehören. Unsere Gastfamilie gehört zu den Bramahnen, den Trägern der heiligen Schnur – eine der höchsten Kasten. Vor allem unsere „Oma“ hat das früher scheinbar sehr ernst genommen, und so ist es für uns eigentlich eine Ehre, dass wir in der Küche sitzen dürfen – als Ausländer ist es nicht ganz klar, in welche Kaste wir fallen würden – aber das Betreten der Küche ist auf jedenfall ein riesiges Zugeständnis an uns.

Aber unsere Schüler scheinen der neuen Generation anzugehören. In unserem Klassenzimmer scheint es kein Kastensystem zu geben, zumindest können wir eigentlich nur positive Beispiele für ein gemeinsames Miteinander aufzählen: Sei es nun das Aufführen des Tharu-Tanzes durch die Jungs einer anderen Kaste – oder auch, dass „untouchable“ Schüler durch die Klassensprecher in unseren Kurs mitaufgenommen wurden. Hätte es niemand gesagt, hätten wir die unterschiedlichen Kasten im Klassenzimmer niemals wahrgenommen. Nepalesen in unserem Alter und jünger scheinen weniger Wert auf die Kaste zu legen, vielleicht vollzieht sich der Wandel nun langsam…

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Ende des Monsuns als Wechsel in eine neue Jahreszeit haben wir insofern mitbekommen, als dass eines Sonntags ein neuer Stromausfallplan gültig war. Wir merken, kaum gibt es nicht mehr soviel Regen (=Wasser), wird auch gleich der Strom wieder pessimistischer verteilt. Nepal gewinnt einen großen Anteil seines Stroms durch Wasserkraft – allerdings ist das Gelände hier auch so unwegsam, dass trotz enormen Wasserreichtums, nicht ausreichend Energie damit erzeugt werden kann. Hohe Berge, Erdbebengefahr und mangelnde Investitionen sind wohl die Hauptprobleme, bzw. wie es die Nepalis gerne vereinfachen: Die Regierung ist schuld.

Wer auch immer am Ende Schuld daran ist,… so oder so müssen wir nun mit dem neuen Stromausfallplan leben und irgendwie versuchen unseren Unterricht darum herum zu organisieren. Bis zu 9 Stunden täglich fällt der Strom nun geplant aus – ungeplant war er nach einem Sturm neulich schon mal 20 Stunden weg. Und wie sieht unser Unterricht nun aus? Wir machen einfach morgens um 7 gleich eine Klasse, abends um 5 dann die andere – und dazwischen versuchen wir in den wenigen Stromstunden weiteren Unterricht vorzubereiten und in unser Learning-System einzubauen.

Ein Gutes hat das ganze: Plötzlich kommt wieder mehr Druck auf unser Batteriesystem und endlich wird eine Entscheidung getroffen und umgesetzt! 1.5 Wochen nach dem neuen Stromausfallplan haben wir endlich die ersehnten Batterien! Ab sofort kann wieder zu regulären Zeiten Unterricht stattfinden, die Kinder finden es super. Vor allem, dass der Unterricht nun nie mehr durch Stromausfall unterbrochen wird und alle Arbeit flöten ist.

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Ein Wochenende nutzen wir mal wieder zu einem kleinen Ausflug. Kapil, ein Freund aus Tandi (nächste Kleinstadt in der Nähe von unserem Dorf) meinte wir sollten dringend mal einen Trip in die Berge machen. Scheinbar gibt es nicht weit von hier eine Bergbahn, die einen zu einem Hindu-Heiligtum bringt.

Das klingt gut, denn Abwechslung zum Dorf- & Landleben ist immer willkommen. So setzen wir uns eines Sonntag morgens in den Bus, der uns dorthin bringen sollte. 30-40km sollte der Ort entfernt sein… als wir nach 2,5 Stunden immer noch nicht da waren und unser nepalesischer Freund im Sitz vor uns eingeschlafen war, dachten wir schon wir hätten es verpasst… Aber nein: 40km in 3 Stunden zu fahren – das ist einfach Nepal. Der Hindu-Tempel, versteckt in den Bergen war auf jedenfall ein Erlebnis – einzigartige Atmosphäre: Räucherstäbchen, Glocken läuten, 1.300m hoch gelegen und das Ziegenblut der letzten Opferungen werden uns sicherlich in Erinnerung bleiben. Ganz zu schweigen von der spektakulären Heimfahrt im Local Bus.

Eine  sehr spannende und ereignisreiche Zeit steht an. Der Beginn der größten Festivals in Nepal – Wir konnten uns darunter bis dahin wenig vorstellen. Ist das so wie bei uns Weihnachten? Winterschlussverkauf? Ostern? Nein – irgendwie scheint es eine Mischung aus allem zu sein, zumindest was den Trubel darum angeht: Lange geplante Familienzusammenkünfte finden statt, viele im Ausland…

2 Comments

  1. Hey Andrej! Sehr schön von dir zu lesen und es freut uns wirklich sehr, dass die der Blog gefällt! Viele liebe Grüße aus Nepal (aktuell aus Pokhara) und alles Gute für dich & deine Familie 🙂

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