15 Tage Urlaub. Familienbesuch. Viel Tee. Eine Ziege. Gutes Essen. Das alles wird gepaart mit vielen guten Wünschen, kleinen Aufmerksamkeiten und jeder Menge Rituale. Das ist Dashain, der Höhepunkt der nepalesischen Festivalzeit.
Wir erleben diese Zeit mit einer nepalesischen Familie rund um Manoj in Pokhara, Nepals bergigem mittlerem Westen. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes mittendrin statt nur dabei.
Die Vorbereitung
Bereits einige Tage zuvor kommen die 2 Söhne der Familie zum Festival nach Hause. Mit dabei ist auch ein Neffe aus dem fernen Osten Nepals, sowie der Hauptdarsteller: Eine Ziege aus dem Heimat-Dorf von Manoj. 19 Stunden Busfahrt hat sie hinter sich. Aber das macht sie auch gleich zu etwas Besonderem, sieht sie doch ganz anders aus als die Ziegen, die es hier zu kaufen gibt.
Ein Besuch des Ziegenmarktes gleicht einem deutschen Weihnachtsmarkt: Ausgelassene Stimmung, Riesenrad, Leckereien, Menschenmassen und nicht zuletzt das kritische Prüfen der diesjährigen Dashain-Ziege der Familie vor dem Kauf: Ein kurzes Anheben zur Prüfung des Gewichts und dann ein Profi-Griff entlang der Wirbelsäule, ob das Tier auch fett genug ist. Das war wirklich ein Spektakel – das gegenseitige Prüfen und Loben der Ziegen von Freunden und Nachbarn ist durchaus vergleichbar mit dem Loben der Christbäume in Deutschland zur Weihnachtszeit.
Unsere Ziege ist ein wirklich anhängliches Exemplar und scheint sich nur in Gesellschaft richtig wohlzufühlen. Vor allem der kleine Neffe kümmert sich rührend um das zusätzliche Familienmitglied, welches leider kein langes Leben im idyllischen Pokhara haben wird. Aber da ist sie nicht allein.
Der große Tag
Es starten bereits die ersten Schlachtungen und wir sehen häufiger Spuren davon entlang der Straßen. Die unterschiedlichen Kasten schlachten für das Fest an unterschiedlichen Tagen. Die Chhetris schlachten am Sonntag, so auch unsere Familie.
Auch wenn die Schlachtung wirklich alles andere als blutig war, es war trotzdem ein heftiges Erlebnis und mit Sicherheit nichts für Vegetarier – eher etwas für diejenigen, die es noch werden wollen. Ein kurzes Ritual: Räucherstäbchen, eine Gurke, die symbolisch für die Ziege steht und 4 Holzbeinchen hat, einige Blumen auf einem Kreis aus rotem Lehm platziert, einige Worte auf Nepali und kurze Zeit später rollt schon der symbolische Gurken-Kopf. Die echt Schlachtung folgt sofort: Die Ziege wird an den selben Platz geführt, sie ist ganz ruhig – blickt immer noch treu um sich, man streicht ihr kurz die Haare im Nacken zurecht und ZACK saust das Messer schnell durch ihr Genick.
Keine Angstschreie, kein Gezappel. Alles ruhig und routiniert. Wenn das überhaupt für eine Schlachtung zutreffen kann, könnte man es wirklich als liebevoll beschreiben. Der Kopf fällt auf den Boden und der Neffe nimmt ihn an sich und gibt der Ziege einige Schlucke Wasser, bis wirklich das letzte Leben aus ihr gewichen ist. Er weint seiner Ziege keine Träne nach.
Alle Familienmitglieder helfen mit bei der Zerlegung, das teure Tier wird unter 3 Familien aufgeteilt. Und wir werden wie selbstverständlich zum Festessen eingeladen. Es wäre besser gewesen nicht nachzufragen, was genau wir da auf den Tellern hatten, denn es schmeckte eigentlich gut – aber hier die Kurzfassung: Es wird alles, wirklich alles von der Ziege verarbeitet. Vom rohen Hirn über in Blut gekochten Innereien, bis hin zu Schädelknochen, die man tagelang weichkocht und anschließend isst – einfach alles. Wir fühlen uns geehrt und müssen da wohl einfach mit einem Lächeln durch.
Der Ausklang
Neben vermehrtem Fleischgenuss in der Dashain-Zeit gibt es noch einen weiteren tollen Brauch. Das Empfangen und Geben von Tika: Rot gefärbter Reis, aufgetragen durch den/die jeweils ältere Verwandte auf die Stirn, Blumen ins Haar (für Frauen) oder hinters Ohr (für Männer), sowie ein kleiner Umschlag, der ein paar kleine Scheine enthält. Nicht zu vergessen: Viele gute Wünsche angefangen von viel Erfolg im Beruf, viel Glück auf Reisen und nicht zu vergessen Gesundheit und viiiiele Kinder. Und auch hier waren wir mittendrin statt nur dabei. Alle freuten sich ein paar Deutsche und Holländer mit Tikka zu bestücken und so fühlten wir uns, als würden wir richtig zur Familie gehören.