Goodbye Putin & warum wir 20 Jahre länger leben…

Wir sind da: 2.50 Uhr nachts, nach Irkutsker Zeit (in Moskau wäre es nun 21.50 und in Schenkenzell 19:50) – die täglichen Zeitverschiebungen machen uns auch in der Tat ein bisschen zu schaffen. Und im Zug hat sowieso jeder seinen eigenen Rhythmus. Für zusätzliche Verwirrung sorgt da nur, dass alle Zeiten und Uhren immer in Moskauer Zeit angegeben sind und man nur mühsam herausfinden kann, wieviel Uhr es denn nun gerade wirklich ist.

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Wir kommen per Taxi in unserer Herberge an: L’Auberge Theatrale in der Karl Liebknecht Straße. Unser Glück mit den Unterkünften setzt sich weiter fort. Auch hier wohnen wir wieder eher in einer Wohngemeinschaft als in einem Hostel. Igor, Mitte 60, sehr gebildet und weltoffen, kümmert sich rührend um uns. Er liebt Frankreich und die Sprache, da er mehrere Jahre dort gearbeitet hat. Auch im Schwarzwald hat er schon einmal Freunde besucht – wir freuen uns gemeinsam daüber wie klein die Welt doch ist. Jetzt bewohnt er ein Haus in der Altstadt von Irkutsk, was er an allen Ecken und Enden optimiert. So schreinert und tüftelt er zum Beispiel auch an selbstgebauten Wäscheständern, die sich bis an die Decke hochkurbeln lassen, damit man mehr Platz zum leben hat,… unglaublich.

Irkutsk hat uns sehr gut gefallen. Die Stadt ist überschaubar und hat sehr viele charmante Ecken. Wir können alles zu Fuß erkunden und bleiben immer wieder fasziniert vor den verzierten Holzfensterrahmen stehen, die es hier oft zu sehen gibt. Wir genießen einfach das Treiben um uns herum und lassen uns mitziehen: Durch die Markthallen und bis vor zur Angara, dem einzigen Abfluss des Baikalsees. Das Wetter spielt auch mit und so haben wir bei ca. 25°C gar nicht das Gefühl in Ostsibirien zu sein. Wir genießen vor allem das Markttreiben: Händler verschiedenster Kulturen, Köstlichkeiten aus dem ganzen Land und Omas, die Kräuter und Gemüse aus ihren Gärten anbieten. Hier verbringen wir einige Stunden und kaufen alles was es für ein richtig gutes Sandwich braucht. Denn morgen wollen wir schon weiter.

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Denn da wir nun schon so nah dran sind müssen wir uns natürlich auch den Baikalsee anschauen. Wer kurz Zeit hat, der fährt nach Listwjanka, wer mehr Zeit hat sollte sich unbedingt die Insel Olchon auf dem Baikalsee anschauen, so war der Rat von Igor. Der Baikalsee beeindruckt uns in der Tat: Er ist der wasserreichste Binnensee der Welt, bis zu 1600m tief deckt er 20% des weltweiten Süßwasserbestandes ab. Es ist kaum vorstellbar, das wenn der Baikalsee heute kein Wasser mehr über seine 336 Zuflüsse bekommen würde, er immer noch 400 Jahre (!) die Angara mit Wasser speisen könnte… Die Zahlen hauen uns vom Hocker und man merkt in ganz Russland, dass die Russen auf diesen See besonders stolz sind!
Das wird auch der Grund sein, warum wahrscheinlich auch soviele Menschen dorthin reisen. Wir fühlten uns zwischen Touristenschleppern und Partymeilen, Backpackern, Müll und streunernden Hunden auf Olchon leider gar nicht so wohl. So schön der See auch ist, die Insel verkommt (aus unserer Sicht) leider zu einer schnell wachsenden Touristenhochburg, mit der jeder sein Geld verdienen möchte. Sehr schade, wir waren wirklich enttäuscht. Und auch unser Plan von dort aus weiter auf die andere Seite des Baikals, Richtung Ulan Ude, zu reisen ist leider geplatzt (es gab scheinbar keine Möglichkeit auf die burjatische Seite des Sees zu kommen).

SAM_9124Wir genossen trotzdem den Tag mit Picknick und Blick auf den Baikal, und nutzen immerhin die Gelegenheit ein Sibirisches Sprichtwort umzusetzen das besagt: „Wer die Hände im Baikal badet, lebt zehn Jahre länger. Die Füße baden verlängert das Leben um zwanzig Jahre. Wer im Baikal schwimmt, lebt hundert Jahre!“ Ihr dürft uns glauben, schwimmen ist quasi unmöglich (Wassertemperatur ca. 12 Grad, der See ist erst vor wenigen Monaten wieder aufgetaut). Mit einer sibirischen Bierdose in der Hand beschlossen wir den ersten Bus wieder zurück nach Irkutsk zu nehmen ( ca. 6 Stunden Fahrt) – und von dort aus einen Zug nach Ulan Ude zu nehmen (ca. 8 Stunden Fahrt), um dann dort einen Bus nach Ulan Bator in die Mongolei zu nehmen (weitere 12 Stunden Fahrt). Wir müssen wahnsinnig sein… Ein toller Abschied vom Baikal: Als wir die Fähre betraten schaut doch tatsächlich eine neugierige Baikal-Robbe aus dem Wasser!!!P1040262

So wahnsinnig unsere Reiseplanung für die nächsten Stunden, so wahnsinnig auch, dass dies tatsächlich geklappt hat! Wir bekamen Plätze im letzten Schlafwagen von Irkutsk nach Ulan Ude, kamen dort um 6.39 Uhr am nächsten Morgen an und stiegen um 7.00 Uhr mit den letzten freien Plätzen in den Bus in die Mongolei. Mit einer Unterbrechung von ca. 4 Stunden für Zollkontrollen (3malige Passkontrolle und Ausreise aus Russland, Gepäck scannen, 3malige Passkontrolle und Einreise Mongolei, nochmal Gepäck scannen – ein unglaublich zeitintensiver und dringend optimierungsbedürftiger Prozess!) erreichten wir um 20.30 Uhr Ortszeit dann Ulan Bator. WOW! Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie wir uns nach einer Dusche gesehnt haben,… So ein Marathon, und übrigens wieder eine Zeitumstellung (-1 Stunde nur zum Glück). Jetzt erstmal entspannen,…

Unsere Learnings von diesem Trip:
1. Touristenhochburgen meiden oder wenn man sie doch besucht wenigstens schon mal vorab ein Homestay gebucht haben 🙂
2. Baikalsee ist trotzdem wunderschön, faszinierend und eine Reise wert!
3. Dritte Klasse Zugreisen in Russland (Moskau bis Irkutsk) war viiiiiiiiiiiiel besser als 2. Klasse Zugreisen von Irkutsk nach Ulan Ude! Man sieht mehr, hat mehr Platz und lernt viele interessante Menschen kennen. Das kam uns in der 2. Klasse alles eindeutig zu kurz 🙂

Wir sind da: 2.50 Uhr nachts, nach Irkutsker Zeit (in Moskau wäre es nun 21.50 und in Schenkenzell 19:50) – die täglichen Zeitverschiebungen machen uns auch in der Tat ein bisschen zu schaffen. Und im Zug hat sowieso jeder seinen eigenen Rhythmus. Für zusätzliche Verwirrung sorgt da nur, dass alle Zeiten und Uhren immer in…

3 Comments

  1. Schon mal an einen Berufswechsel gedacht Linda? Reiseschriftstellerin, das wäre was für dich- man lebt richtig mit-du hast ein Gespür für die richtigen Worte. Viel Glück und viele schöne Eindrücke auf Eurer Motorradreise-wir sind in Gedanken bei Euch

  2. Liebe Erika, es macht auch richtig Spaß 🙂 Wir haben hier die Kompetenzen so verteilt: Jochen kümmert sich um die Bilder, ich schreibe den ersten Textentwurf (den wir dann gemeinsam optimieren)… langsam gewöhnen wir uns ans Bloggen – aber toll, dass es dir gefällt! Liebe Grüße!

  3. …das wollte ich auch gerade schreiben Erika. Liest sich sooooo toll Lin+Jochen! Bin nur etwas hinterher mit lesen – das wird jetzt nachgeholt! VIEL SPAß weiterhin

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