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Die (bis dato) wichtigste Nepali-Lektion

11. August, der Unterricht soll starten? Wow – Genau 2 Wochen nachdem wir angekommen sind soll es nun tatsächlich schon losgehen. Die Erfolge der ersten Woche noch genießend, sehen wir das zwar herausfordernd, aber durchaus als machbar an. Und ein wenig Druck hat ja noch keinem geschadet. Hoch motiviert und angetrieben von den nahenden Deadlines, werden unsere Tage langsam länger.

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Ziel soll folgendes sein: Wir geben Sonntag bis Freitags jeweils morgens von 7.00 bis 10.00 Uhr 2 Klassen Unterricht, tagsüber 1 Klasse Unterricht und Abends nochmals 2 Klassen von 16.00 bis 19.00 Uhr. Lehrplan ist für alle zunächst einmal die 25 Lektionen „Computer Basics“, die wir letzte Woche gemeinsam abgesegnet haben. Parallel lernen wir die 3 Tutoren ein, sodass diese später (nach den ersten 25 Lektionen an alle Klassen) den Unterricht der Basics komplett übernehmen können.

Für uns wären die kommenden 3-4 Wochen also sehr heftig, danach könnten wir uns allerdings mehr auf sogenannte „Advanced“ Themen konzentrieren und die Tutoren weiter ausbilden. So soll ein nachhaltiges und andauerndes Unterrichtssystem am SVCC aufgebaut werden. In der Vergangenheit (bis ca. 2006) hat dies scheinbar sehr gut funktioniert und wir finden auch, dass sich das machbar anhört. Die drei Tutoren studieren aktuell noch und sollen sich so einen Teil ihrer Studiengebühren erarbeiten.

Um das alles umzusetzen bleiben uns nur noch wenige Tage, aber viele To-Do’s: Das Klassenzimmer muss vervollständigt werden. Bestellt ist zwar fast alles, zumindest alles was sich bekommen lies in den lokalen Shops – die Lieferzeiten überschneiden sich allerdings knapp mit unserem Unterrichtsbeginn. Aber OK, wir sind flexibel: Die ersten Stunden werden höchstwahrscheinlich eher theoretisch ablaufen, Praxis wird nachgeholt, sobald unsere Ausstattung komplett ist. Auch ausreichend Tische und Stühle werden wohl erst später ankommen, das wird ja spannend!

Zugegebenermaßen tun wir uns anfangs schwer damit, dass einiges was wir uns zuhause ausgedacht hatten hier scheinbar nicht funktioniert, oder nicht zu bekommen ist. Auch die Transparenz, die man in Deutschland beim Einkauf teuren Equipments hat (Preisvergleiche, Standards und Erfahrungsberichte lesen) fehlen uns hier. Oft stehen Kamal und Jochen in einem der lokalen Shops und werden nur mit Dingen konfrontiert, deren Marke uns total unbekannt ist – geschweige denn, irgendwelche Leistungsdetails wären zu diesem Zeitpunkt klar.

Die Nachbarländer China und Indien, eigentlich bekannt für ihre guten IT Produkte, müssen für den nepalesischen Markt jedoch bezahlbare Ware produzieren, denn Nepal zählt zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Das kann sich zum Beispiel dann so äußern: Wir kaufen gemeinsam 9 Tastaturen (Made in India) ein, zu einem Stückpreis von 2,50€  (das waren noch nicht einmal die günstigsten!). Wir freuen uns leider zu früh, über die Schonung unseres Projektbudgets: 3 von 9 Tastaturen funktionieren nicht – entweder ist die Leertaste defekt, oder ganze Buchstabenreihen funktionieren nicht. Ups. Also gut, 2. Anlauf: Wir tauschen die defekten Tastaturen um,… leider nur um wenig später festzustellen, dass die Tastaturen seltsame Daten generieren, wenn sie mit den für das Projekt gedachten RaspberryPi Computern gestartet werden. MIST! Insgesamt 3 Tage und 30 Kilometer verschwendet – langsam wird es eng. Noch 3 Tage, bis der Unterricht beginnen soll…

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Der Druck, das Unterrichtsdatum halten zu wollen wird immer größer – und wir fragen uns, warum uns dieses Datum eigentlich einfach vor die Nase gesetzt wurde, wo doch eigentlich noch kaum etwas im Klassenzimmer vorhanden ist. Mit diesem Unverständnis im Kopf sinkt langsam aber sicher die Stimmung, Kleinigkeiten werden zu Problemen und Hindernissen. Letztendlich müssen wir gemeinsam die Reißleine ziehen – so macht das weder Spaß, noch ist es sinnvoll alles jetzt hoppla-di-hopp übers Knie zu brechen. Ganze 3,5 Tage steht unser Projekt komplett still – alle wollen Zeit zum Nachdenken, ob das so überhaupt funktionieren kann.

Wir beginnen langsam zu zweifeln, ob das alles hier so eine gute Idee ist – die Aufgabe, ein Klassenzimmer aufzubauen und Unterricht durchzuführen scheint ungreifbar fern. Zwischen uns und dem gemeinsamen Ziel liegen momentan kulturelle Missverständnisse, sprachliche Barrieren, Stolz, ein intransparenter Markt,… und viele weitere kleine Hürden. Wie soll das nur weitergehen? Nach 14 Tagen so ein abrupter Projektstopp – Ungewissheit wie sich der Projektpartner vor Ort entscheiden wird. Ungewissheit ob wir überhaupt noch weitermachen wollen in diesem Spannungsfeld.

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Eine Leerstunde in Sachen interkulturelle Kommunikation und interkulturelles Verständnis. Was wir in diesen ersten Tagen gelernt haben ist zwar schmerzhaft, aber unbezahlbar wertvoll. Wichtig ist nicht die Effizienz, wichtig ist nicht die Entscheidungssicherheit, wichtig ist es nicht unser Konzept umzusetzen. Nein. Wichtig ist, Freude dabei zu haben was man tut und, der logischste (deutsche) Weg ist nicht immer der beste Weg. Wir brauchen eindeutig Nachhilfe in „The Nepali Way of Life“.

Um das gemeinsame Ziel zu verfolgen müssen wir auch lernen einzustecken, uns weniger zu rechtfertigen und Entscheidungsprozesse eher in lokale Hände zu geben. Die IT-Expertise bringen zwar wir mit, aber die Lösung muss schließlich vor Ort auch akzeptiert werden. Letztenendes geht es darum, dass alle Beteiligten hier Computerunterricht für Kinder anbieten wollen – nicht darum, wer das letzte Wort hat. „It’s all about emotions and feelings, we are humans“. Die Worte unseres Projektpartners im Hinterkopf und eine 4stündige Neustart-Diskussion hinter uns scheint es nun so, als hätten wir die Kurve gemeinsam gekriegt. Jetzt haben zwar einen „Vorgesetzten“ mehr, dafür aber ein rießiges Problem weniger. Morgen kann es weiter gehen. 

9 Gedanken zu „Die (bis dato) wichtigste Nepali-Lektion“

  1. Da ist jetzt Durchhaltevermögen gefragt! Vor allem sind wir überzeugt, dass wenn ihr die Startschwierigkeiten überwunden habt das Ganze schon noch richtig anlaufen wird!
    Tschakka – ihr schafft das 🙂

  2. wird schon 🙂 mein Anfang hier war auch nicht einfach aber Kultur und Sprachprobleme lassen sich mit der Zeit super lösen ! Viel Spaß weiterhin
    PS: schönes T-Shirt Jochen 😉

  3. Hallo ihr Lieben, vielen Dank für die aufmunternden Worte – es ist nicht immer alles nur Sonnenschein 🙂 Inzwischen sind wir aber wieder auf dem richtigen Weg, der uns dann hoffentlich auch gemeinsam ans Ziel führt. Diese Tage waren aber trotzdem sehr wichtig für das Projekt und auch für uns, eine wichtige Lektion für alle Beteiligten 🙂

  4. Ach Conny, das freut mich sehr 🙂 Dabei habe ich mich als Balkan-/Osteuropa erprobter AMC eigentlich gut gewappnet gefühlt. So klein ein Land auch ist, so hat doch jedes seine Besonderheiten, die man erst kennen- und verstehen lernen muss 🙂 Liebe Grüße :-*

  5. Hello Apil, as I told I went trekking. So signal there is not very good. We had one nice evening in Bhujung. But I don’t know why I should call you? Anyway more than 10 missed calls are to much for me. So please keep it like it is.

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