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Bye bye Nepal – Gesichter eines Landes

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Die wohl einzige nicht rechteckige Nationalflagge

5 Monate, 150 Tage pro Jahr – das ist das maximal Mögliche nach dem nepalesischen Visumsrecht und somit für uns der Zeitpunkt aufzubrechen das Land zu verlassen. Nicht ohne ein wenig Melancholie und sicherlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wir hatten hier schöne Zeiten, turbulente Zeiten, anstrengende Zeiten und haben auf jedenfalls sehr viel gelernt. Vielleicht sogar mehr und anderes gelernt, als wir uns zu Hause auf dem Sofa damals vorgestellt haben.

Nepal ist (natürlich neben unser Heimat) das erste Land, dass wir wirklich intensiv kennenlernen durften – 5 Monate geben einem wirklich viel Zeit die unterschiedlichen Gesichter eines Landes kennenzulernen und ein wenig hinter die Fassaden zu blicken. Kurioses, witziges und erschreckendes ist uns dabei begegnet.

Öffentliche Verkehrsmittel

Nepal ist eigentlich ein sehr sicheres Land. Wir wurden nie beklaut und auch sonst erfuhren wir keinerlei Bedrohung – und dennoch gibt es eine unterschätzte Gefahr: Die öffentlichen Verkehrsmittel 🙂 Es gibt keinen Bus, der nicht grenzwertig überfüllt ist – auch ein bezahlter Sitzplatz schützt einen nicht davor, nicht noch mindestens ein Kleinkind auf den Schoß zu bekommen, oder auch ein Gepäckstück. In einen 25-Sitzer passen in Nepal mindestens 50 Personen, da Gang sowie Dach eigentlich immer komplett belegt werden, was Passagiere aller Art umfassen kann: Vom Reissack, gestapelten Eierkartons über Hühner bis zu Ziegen – alles ist erlaubt. Gefahren wird “schnell”, d.h. was eben möglich ist auf mit Schlaglöchern bestückten, kurvigen Bergstrassen – und immer bei offener Türe. Gleiche Beladungstaktiken werden auch für Boote angewendet, nicht selten passieren Unfälle – viele Busse sind übrigens kunstvoll bemalt und tragen Markennamen wie Nike, Adidas oder auch mal Titanic (was vielleicht kein so gutes Omen ist).

Ein eindrucksvolles Beispiel an maximaler Beladung haben wir in Janakpur erlebt: Nepals einzige 30 Kilometer lange Zugstrecke. Der Zug fährt einmal täglich, von Nepal an die indische Grenze – in einer Geschwindigkeit bei der man einfach nebenher laufen könnte (was auch einige Passagiere gerne für einen Toilettengang tun, danach hinterherlaufen und wieder auf den Zug aufspringen).

Essen & Einkaufen

Essen: Hierzu gibt es nur eines zu sagen: Dal Bhat = 24 hour power. Morgens und Abends gibt es das: Reis, Linsensuppe und Gemüsecurry. Es wird immer als All-you-can-eat serviert, d.h. nachschöpfen bis zum “bugio”, dem Signalwort, dass man jetzt eigentlich nichts mehr essen kann (obligatorisch bekommt man dann aber meist noch was untergeschoben, wenn man kurzzeitig nicht aufpasst). Es wird erwartet, dass man alles aufisst – Essen zurückgehen zu lassen gehört sich hier nicht. Und die Nepalis können wirklich nicht ohne Dal Bhat – ein Essen ohne Reis und Linsensuppe ist nicht vollwertig für sie, macht sie nicht satt. So wird z.B. nach dem Grillen nochmal ein Dal Bhat serviert – selbst im Ausland essen viele Nepalis mindestens einmal am Tag Dal Bhat. Wir sind uns einig, dass wir für den Rest unseres Lebens nun genügend Reis und Linsen gegessen haben!

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Einkaufen: Nepal ist trotz niedriger Preise kein Shopping-Paradies. Grund 1: Es gibt hauptsächlich kleine Ladengeschäfte – man steht an der Theke und das spärliche Warenangebot ist hinter dem Verkäufer aufgebaut, d.h. man muss genau wissen, was man braucht. Grund 2: Wenn die Ware dann über die Theke wandert muss man erstmal einen (hoffentlich) vom Hersteller aufgedruckten Verkaufspreis finden – ansonsten bezahlt man als Nicht-Nepali gerne deutlich mehr. Womit wir bei Grund 3 wären: Rassismus in unterschiedlicher Form. Preise für verschiedene Dinge (u.a. auch Flüge oder andere Tickets) können öffentlich unterschiedlich ausgezeichnet sein. Z.B. ein Preis für Nepalis, ein Preis für Mitglieder der SAARC Länder, Inder bezahlen einen anderen Preis und dann gibt es noch einen Preis für den Rest der Welt. Aber auch Rassismus in anderer Form trifft die Nepalesen: Es gibt viele Produkte aus dem In- und Ausland, die für Nepal-only, d.h. ausschliesslich für den Verkauf in Nepal zugelassen sind – was im Umkehrschluss bedeutet, sie erfüllen weder indische, noch chinesische noch Standards der restlichen Welt! Das kann einen Saft betreffen, aber auch eine Taschenlampe oder Fahrrad. Die niedrige Qualität dieser Produkte hat schon ein Sprichwort geschaffen: Aaga chha – bholi chaaina = Heute da, morgen nicht mehr da (Wortwitz ist, dass Verneinung als CHINA ausgesprochen wird).

What you see is what you get

Ein einfaches Prinzip: Steht in der Speisekarte Buff-Burger, dann bekommst du einen Burger mit Büffelfleisch, bestellst du Ham-Burger, dann bekommst du einen Burger mit Schinken (aus der Dose), bestellst du einen Cheese-Burger, bekommst du einen Burger mit Käse (vegetarisch) – ist doch logisch! Achja und wenn es einen Black-Forest Cake gibt (Schwarzwälder Kirschtorte) dann muss es nach nepalesischer Denkweise natürlich auch einen White-Forest Cake (Weisser Wald Kuchen) geben.

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IMG-20131222-WA0003Dieses Prinzip lässt sich einfach auf andere Lebenslagen adaptieren, so wird zum Beispiel der Elektriker nach der Anzahl der installieren Schalter bezahlt: Es ist also nicht verwunderlich, dass in einem Raum meist mindestens 4-6 Schalter installiert sind (man kann jede Steckdose an und ausmachen, ein Generalschalter, ein Notfall-Licht,…) der Kreativität des Elektrikers sind hier keine Grenzen gesetzt (viele Schalter haben auch einfach keine für uns erkenntliche Funktion).

„What you see is NOT what you get“ gilt es allerdings zu beachten, wenn man in Nepal auf ein Hakenkreuz trifft. Es hat hier eine ganz andere Bedeutung, als die negative Assoziation, die wir dazu haben – als Glückssymbol findet man es beinahe an jedem Hauseingang, bei vielen Ritualen und sogar bei der Wahl macht man hier kein Kreuz, sondern ein Hakenkreuz.

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Astrologie, Medizin & Aberglaube

P1050086Eigentlich ein unendliches Kapitel und diesem spirituellen Land – es gibt Tage an denen gefastet wird (nur einmal Dal Bhat), bei diversen Mondphasen wird auf manche Gewürze verzichtet, ganz zu schweigen von den unendlich vielen Feiertagen. Aber auch im Alltag begegnet einem die Spiritualität oft. Jede Familie hat einen Astrologen, den sie für unterschiedlichste Dinge zu Rate zieht (Definition von Hochzeitsdaten, wann ist der beste Tag um ein Visum zu beantragen, wie sieht die Zukunft meiner Kinder aus,…) und es geht soweit, dass sie im Falle einer Krankheit erst den Astrologen zu Rate ziehen, bevor sie einen Arzt konsultieren. Dass Kühe heilig sind und sogar per Gesetz geschützt sind war für uns zwar nicht ganz neu, allerdings war uns nicht klar inwiefern das in Nepal ausgelebt wird. In Pokhara läuft z.B. eine 3-beinige Kuh durch die Strassen – in Deutschland wäre sie nach dem Unfall längst notgeschlachtet worden – hier gibt es aber niemanden der das übernehmen darf. Allerdings gibt es auch Schlupflöcher in diesem Gesetz: So kommt es durchaus vor, dass ab und an mal eine Kuh verunglückt, z.B. irgendwo abstürzt – dann darf sie auch gegessen werden. Scheinbar wird so einem Unfall ab und zu auch etwas nachgeholfen 🙂 “Ke Garne” sagen die Nepalis dann: Was soll man auch machen?

 

Ke garne

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Was soll man auch machen? Ein bisschen spiegelt es für uns auch die Mentalität vieler (nicht aller) Nepalesen wieder, die sich gerne in die Opferrolle begeben. „Nepal is a beautiful but very poor country“ – ein sehr schönes aber sehr armes Land, lernen die Kinder in der Schule. Schuld daran ist die Regierung, Schuld ist China, Schuld ist Indien. Unzählige NGO’s (Nicht-Regierungsorganisationen) gegründet und/oder unterstützt durch ausländische Gelder versuchen viele der Missstände zu verbessern. Es scheint ohne Hilfe von Aussen kann dieses Land sich nicht entwickeln. Aber es ist auch ein Geschäftsmodell geworden – ein Waisenhaus zu führen ist eine gute Geldquelle und so gibt es auch in kleinsten Dörfern mindestens eines. In unserem Dorf in Chitwan gibt es beispielsweise 4 (!) Waisenhäuser, alleine in Pokhara sind 1.200 NGO’s registriert. Was soll man auch machen? Nepal braucht das Geld aus dem Ausland. Dass davon viel in den Taschen der falschen Leute landet und die Kinder/Projekte für die das Geld ursprünglich gesammelt wurde davon wenig erhalten, macht wütend.

Wir sind sehr froh, dass wir unsere Energie in ein Bildungsprojekt gesteckt haben. Hier können wir sicher sein dauerhaft etwas zu bewirken und schön ist auch, dass unser Projekt nun unter komplett nepalesischer Leitung läuft. Man konnte aus den Blog-Eintraegen sicherlich auch unsere Schwierigkeiten herauslesen – mit inzwischen etwas Abstand sind wir aber trotzdem stolz darauf, was wir in kurzer Zeit auf die Beine stellen konnten.

Was wir auf jedenfall nicht bereuen, ist für dieses Sabbatjahr gekämpft zu haben – denn es ist einfach schön zu wissen, dass zuhause viele Menschen mitfiebern und unterstützen: Familie, Freunde, Arbeitskollegen, Bekannte… Und auch Daheim immer noch einen Job zu haben, ist nicht nur ein beruhigendes Gefühl: Oft wird man gefragt was man den “back in Germany” so macht, und von seinem Job zu erzählen macht man immer noch gerne, nicht ohne Stolz. Man denkt zwar nicht täglich an Beruf und Unternehmen, aber erwischt sich dann doch das ein oder andere Türsystem nach KABA Logo abzusuchen, und sich eine hansgrohe Dusche herbeizuwünschen – es steckt einfach drin.

6 Gedanken zu „Bye bye Nepal – Gesichter eines Landes“

  1. Hallo, ihr Lieben! Wir sind sehr beeindrückt von eure Mut und Optimismus!!Wir wünschen euch weiter schöne und positive Erlebnisse sammeln!Ihre Berichte sind sehr informativ und geben uns Gefuhl, dass wir zusammen mit euch etwas erleben!

    Mit herzlichen Grüssen,reiselüstige
    deutsche-russische Verwandschaft
    Familie Müller

  2. Hallo Radmilla, vielen Dank für die schönen Worte. Wir freuen uns immer richtig über Feedback. Viele Grüße und eine schöne Weihnachtszeit. Wenn ich mich noch richtig erinnere kommt ja erst noch die Zeit des Väterchen Frost 🙂

  3. Ach ihr zwei bekommt noch einen lin.jojen-Blog-Orden als die fleissigsten Leser und Kommentatoren 🙂 Half-Time ist leider schon ueberschritten, was uns inzwischen schon veranlasst, eine spannende Rueckreise zu planen 🙂 Wir wuenschen euch frohe Weihnachten & einen guten Rutsch!!!

  4. Hallo Christina. Das ist schön von euch zu hören. Ich hoffe erstmal, dass ihr Glück im neuen Jahr habt mit der Verstärkung. Viele Grüße ins neue sowie „alte“ Büro 🙂

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